1896 entdeckte S. Schechter diese, bis dahin unbekannte, Handschrift (CD) zusammen mit einer Fülle anderer Handschriften in der Geniza1 der Alt-Kairoer Esra-Synagoge. Es handelte sich hierbei um eine umfangreichere Handschrift, die aus 16 Seiten bestand), und ein Einzelblatt einer Handschrift größeren Formats). Aufgrund der besonderen Wertlegung auf die zadoqidische Abstammung der Priester, wie sie in diesem Text zu finden ist, nannte Schechter sie in seiner Veröffentlichung von 1910 "Fragments of a Zadokite Work"; später wurde sie aufgrund der angeredeten Gruppe Damaskusschrift genannt. Fragmente von mindestens neun Manuskripten dieser Schrift wurden später in den Qumran-Höhlen 2, 4, 5 und 6 entdeckt.
Die umfangreichere der beiden Kairoer Handschriften stellt eine mit Geschichtsbruchstücken und Schriftzitaten angereicherte Mahnrede dar, die eine Art Mischna mit Sabbathgeboten, Reinheitsgesetzen und Bestimmungen über die Gliederung der Gruppe in Lager sowie Gerichtsbarkeit enthält. Das Einzelblatt hingegen beinhaltet eine Schilderung der Gruppengeschichte sowie einen eschatologischen Ausblick. Die Qumran- Handschriften lassen sich zum größten Teil mit der umfangreicheren Handschrift identifizieren.
Als Abfassungszeit gibt Leonard Rost2 für die umfangreichere Handschrift die Mitte des 2.Jhd. v.u.Z., für das Einzelblatt hingegen die Zeit zwischen dem 1.Jhd. v.u.Z. und dem 1.Jhd. u.Z. (jedoch vor 68 u.Z.) an. Als Ort wird Israel bzw. die nähere Umgebung vermutet; die Verfasserfrage ist umstritten. Ihre Bedeutung liegt nach Rost in der Aufzeigung nachmakkabäischer Bewegungen des Judentums.
Das älteste in Qumran gefundene Exemplar dieser Handschrift stellt wohl 4QDb dar. Dieses ist ca. 75-50 v.u.Z. niedergeschrieben worden und in ziemlich umfangreicher Form erhalten geblieben. Im Gegensatz z.B. zu 1QS ist diese Handschrift reich an historischen Hinweisen. So werden z.B. die Chassidim genannt, die auch in den Makkabäerbüchern) als vorhanden vorausgesetzt werden, als Mattathias um 167 v.u.Z. seinen Aufstand beginnt. Wenn man diesen Zeitpunkt mit I,8 gleichsetzen kann, so gelangt man mit I,9f mitten in die Makkabäerzeit, genauer: in die Regierungszeit Jonathans). Diese Schrift würde sich damit an eine in jener Zeit lebende Gruppe richten und müßte von da aus gedeutet werden.
Die Blätter der Damaskusschrift wurden von S. Schechter 1896 in der Geniza der Esra-Synagoge in Alt-Kairo entdeckt und 1910 von ihm veröffentlicht. Es handelt sich um eine Handschrift A 1 die aus vier beiderseitig beschriebenen Blättern besteht (I-VIII), die von anderer Hand gefertigte Handschrift A 2, die ebenfalls vier beiderseitig beschriebene Blätter umfaßt (IX-XVI), und die Handschrift B, ein einziges, auf beiden Seiten beschriebenes Blatt (XIX-XX). Die Handschriften A 1 und A 2 stammen aus dem 10., die Handschrift B aus dem 12. Jahrhundert. War zunächst nach Bekanntwerden der Damaskusschrift die Frage ihrer Entstehung sehr unterschiedlich beantwortet worden, so ist nun durch die Funde von Qumran ein sicherer Anhaltspunkt gegeben: In den Höhlen 4, 5 und 6 fanden sich eine Reihe von Fragmenten der Damaskusschrift (vgl. M. Baillet, J. T. Milik, R. de Vaux, Discoveries in the Judaean Desert of the Jordan III, Les 'Petites Grottes' de Qumran, Oxford 1962, S. 128-131, 181). Während die Stücke aus 6Q mit dem Text von A 1 übereinstimmen (vgl. M. Baillet, Fragments du Document de Damas. Qumran, Grotte 6, R.B. 63 [1956], S. 513-573), liefern die Fragmente aus 4Q teilweise eine Ergänzung des überlieferten Textes der Damaskusschrift (vgl. die Mitteilungen von J. T. Milik, ebendort S. 61 und: Ten Years of Discoveries in the Wilderness of Judaea, London 1959, S. 58-60, 151f., Additional Note 3). Die Fragmente aus 4Q, 5Q und 6Q stellen sicher, daß die Damaskusschrift in vorchristlicher Zeit - wahrscheinlich im 1. Jahrhundert v. Chr. - abgefaßt worden sein muß.
Der Titel der Schrift ist nicht erhalten. Da die Gemeinde sich als Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus bezeichnet, ist die Bezeichnung Damaskusschrift allgemein gebräuchlich geworden. Ob tatsächlich an das Land Damaskus gedacht oder darunter ein Deckname verstanden werden soll, ist umstritten. Die Handschrift A 1 bringt eine lange Mahnrede, in der die Entstehung der Gemeinde einen Abriß der Geschichte Israels hineingestellt und die strenge Auslegung des Gesetzes durch die Gemeinde begründet wird. Diese Rede, deren Anfang nur unvollständig erhalten ist, bricht am Ende von VIII ab. Sie wird jedoch in der Handschrift B, die zunächst mit dem Text von VII, 5 - VIII, 21 weithin parallel geht, weitergeführt. Die Handschrift A 2 enthält Rechtsbestimmungen, in denen in einer Art Mischna die strenge Auslegung des Gesetzes in mancherlei Einzelbestimmungen dargelegt wird.
Das Verhältnis von CD zu 1QS ist nicht einfach zu bestimmen. Die Redaktion von CD wird wahrscheinlich später als die von 1QS vorgenommen worden sein. Da aber in CD mehrfach zwischen früheren und späteren Gesetzesvorschriften unterschieden wird, können manche Vorschriften auch sehr wohl ein älteres Stadium wiedergeben als die entsprechenden Parallelen in 1QS. Im Unterschied zu 1QS kennt CD verheiratete Mitglieder und setzt eigenen Besitz in ihrer Hand voraus. Daher darf die Gruppe, an die CD gerichtet ist, nicht ohne weiteres mit der identifiziert werden, für die 1QS geschrieben worden ist. Es wird auch Gruppen der Bundesgemeinde gegeben haben, deren Glieder verheiratet waren und in Lagern lebten - in der Nähe von Qumran oder auch im Lande Damaskus. Wie deren Leben im Gehorsam gegen das Gesetz geführt werden soll, wird in CD dargelegt.
(aus: Lohse, "Die Texte aus Qumran", München, 1971)
Englisch »Damascus (Zadokite) Fragments« oder »Zadokite (Damascus) Document« (CDC) genannt. Diese Schrift ist bereits 1896 von S. Schechter in der karäischen Geniza von Alt-Kairo entdeckt und 1910 veröffentlicht worden, gab den Forschern seither immer wieder Anlaß zu Hypothesen und Vermutungen über die Gruppe, die diese Schrift einst geschaffen hatte, bis die Funde von Qumran die Zugehörigkeit zu diesem Kreise erkennen ließen, nicht nur inhaltlich, denn es wurden Fragmente von mehreren Exemplaren gefunden (mit z.T. erweitertem Text!). Schechters Text (eine mittelalterliche Abschrift) befindet sich auf zwei fragmentarischen Handschriften, A und B, wobei B eine andere Rezension von A VII-VIII enthält und im übrigen nahe mit 1QS verwandt ist (jachad - Einung). A ist literarkritisch gesehen keine Einheit, sondern im ersten Teil (A/1) eine Zusammenstellung von einzelnen Mahnreden, wahrscheinlich auch meist überarbeitetes älteres Material. Die Gesetze (A/2) weisen wohl in die Zeit vor der Gemeinde der Einung, stammen vielleicht aus vor- oder frühmakkabäischer Zeit und scheinen für 1QS Voraussetzungen zu enthalten. Doch wird auch der gegenteilige Standpunkt vertreten, wobei man 1QS der »monastischen«, Dam. dem verheirateten Zweig der »Essener« zuschreibt. Oft wird dabei Dam. relativ spät angesetzt, das dürfte jedoch nur für die Kompilation und Bearbeitung in der Gemeinde der Einung zutreffen, nicht aber für alle einzelnen Inhalte.
(aus: Maier/Schubert, "Die Qumran-Essener", München, 1991)
1 | eine Geniza ist ein Raum, der der Aufbewahrung unbrauchbar gewordener Schriften dient - welche nicht einfach "entsorgt" werden, wenn ihnen eine gewisse Heiligkeit zukommt |
2 | Rost, Leonard: Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphien einschließlich der großen Qumran- Handschriften. Quelle & Maier, Heidelberg 1979 |
Erarbeitet und erstellt von Andreas Itzchak Rehberg, 1994