Einleitung

Die Gesetze von Kashrut beschäftigen sich mit unserer Nahrung. Aber sie betreffen nicht nur unseren Körper, sondern auch unsere Seele: anders als weithin angenommen, geht es hier nämlich nicht hauptsächlich um hygienische Aspekte. Sicher, sie spielen in diesem Zusammenhang keine unbedeutende Rolle. Der Arzt und Gelehrte Moses ben Maimon (auch bekannt als Maimonides bzw. Rambam) stellte den Grundsatz auf, daß alle in der Torah verbotenen Speisen dem menschlichen Körper schaden - während ihm alle erlaubten Speisen keinen Schaden zufügten; Rabbi Moses ben Nachman (Nachmanides) hingegen, der ebenfalls über große medizinische Kenntnisse verfügte, war der Ansicht, die verbotenen Speisen würden vielmehr der Seele schaden. Wie immer dem auch sei: die Kashrut Anweisungen gehören zu der Art von Gesetzen, die wir befolgen, auch ohne sie hundertprozentig zu verstehen - im Gegensatz vielleicht zu Anweisungen wie "Du sollst nicht töten".

Woher kommt nun der Begriff "Kashrut"? Die meisten werden den Begriff "koscher" bereits einmal gehört haben: sagt man, eine Sache sei "nicht ganz koscher", so bedeutet dies soviel wie: "da stimmt was nicht". Ist ein "Typ" nicht ganz koscher - dann sagt man damit, daß er einem suspekt erscheint. Ist ein Handel koscher - so drückt man damit aus, daß daran nichts auszusetzen ist. Ein Mensch, der ein in jeder Hinsicht der Religionslehre entsprechendes Leben führt, wird ein "koscherer Mensch" (hebr.: "adam kascher") genannt. Hieran erkennen wir schon, dass sich der Begriff nicht ausschließlich auf Speisen und Getränke bezieht, sondern auf eigentlich alle Gebiete des Lebens. Und so wird auch in der Halacha etwa von einer "koscheren Torah-Rolle" (und den zugehörigen Kriterien), von "koscheren Tefillin", einem "koscheren Tallit" etc. gesprochen. Was wiederum nichts anderes zum Ausdruck bringt, als dass alle diese Gegenstände zur Benutzung geeignet sind bzw., anders gesagt, den Ansprüchen und Vorschriften des Religionsgesetzes entsprechen. Und so sollte man sich den Begriff "koscher" auch einprägen - eine Übersetzung mit dem Wort "rein" (wie etwa in deutschen Bibeln die Rede von "reinen" und "unreinen" Tieren die Rede ist) führt da eher in die Irre.

Um letztgenanntes Beispiel an dieser Stelle gleich noch einmal aufzugreifen: tatsächlich spricht die Torah von "rein" und "unrein" (die hebräischen Worte sind in diesen Fällen allerdings "tahor" und "tame") - was aber absolut nichts mit "sauber" oder "dreckig" zu tun hat. Der Begriff "tahor" bezeichnet vielmehr eine Reinheit im kultischen Sinne. So waschen wir uns am Shabbat zwischen dem Wein- und dem Brotsegen die Hände (siehe Shabbat) nicht etwa, weil sie schmutzig sind (in diesem Falle hätten wir uns die Hände bereits gewaschen, bevor wir uns überhaupt zu Tisch begeben) - sondern um "tahor", kultisch rein, zu sein: steht doch der Tisch, an dem wir essen, auch als Symbol für den Altar, der im Tempel stand.

Welchen Grund nennt uns aber nun die Torah für all die Kashrut- Vorschriften? Explizit eigentlich nur einen: an fast allen Stellen, an denen entsprechende Weisungen stehen, finden wir auch den Satz "denn ich [der Ewige, euer G-tt,] bin heilig", "ihr sollt heilig sein" - oder beide Sätze zusammen. Womit sich der Inhalt der Frage ändert in: was heißt nun "heilig sein"? Wörtlich übersetzt soviel wie "sich absondern". Oftmals in der Geschichte wurde dies interpretiert als Askese und Einsiedelei - und so lesen wir von Menschen, die Jahre auf einer Säule zugebracht oder sich allein in die Wüste (oder an einen anderen einsamen Ort) zurück gezogen haben. Dies jedoch entspricht nicht dem jüdischen Gedanken von Heiligkeit. Das Judentum betont hingegen immer wieder, dass kein Mensch seinen Glauben ohne die Gemeinschaft mit anderen Glaubensgenossen leben kann. So finden wir etwa in der Mishnah, im Traktat Awot 4:18 einen Ausspruch Rabbi Nehorais: "Lass dich an einem Ort nieder, wo Torah zu Hause ist, und meine nicht, daß sie dir nachkommen wird, denn nur durch (Studien-) Genossen wird Torah in deiner Hand bleiben; verlasse dich nicht auf deine eigene Einsicht." Einen "heiligen Menschen" soll man nicht daran erkennen, daß er weitab von anderen lebt - sondern daran, dass er in seinem Tun und Reden sich vom "profanen" unterscheidet. Sich heiligen heißt also, sein Leben nach den Worten der Torah auszurichten. Essen und Trinken sind unbestritten Tätigkeiten, die unser Leben maßgeblich prägen - und hier heißt das "Heiligen" Kashrut, womit wir wieder zurück bei unserem Thema wären.