Die biblischen Textrollen von Qumran widerlegen die Existenz eines "Bibelcodes"

Auf der Suche nach der "Urbibel"


Auf der Suche nach der Urbibel1997 war ein weltweiter Wirbel um ein Enthüllungsbuch mit dem Titel "Der Bibel Code" ausgebrochen, das in kürzester Zeit die Spitzenpositionen der Bestsellerlisten in aller Welt belegte. Basierend auf den Arbeiten eines jüdischen Professors für Mathematik behauptete der Autor Michael Drosnin, daß man mit dem Computer in der "Originalversion der hebräischen Bibel" - also in der "Urbibel" - einen geheimen Code entschlüsselt haben will, der u.a. den Golfkrieg von 1991 und das Attentat auf den 1995 ermordeten israelischen Premierminister Jitzhak Rabin vorhersagen würde. Aber gibt es wirklich in der Bibel aufgefundene Codes, die Ereignisse enthüllen, die Jahrtausende nach der Niederschrift der Bibel exakt eintreten? Ist der Bibelcode demnach sogar ein Gottesbeweis der ganz besonderen Art? Der Publizist Alexander Schick und der Qumranwissenschaftler Dr. habil. Uwe Gleßmer haben soeben ein Sachbuch veröffentlicht, das den Spekulationen um den "Bibelcode" erstmals detailliert und wissenschaft entgegentritt. Für idea fassen die beiden Autoren die wesentlichen Erkenntnisse des Buches "Auf der Suche nach der Urbibel - Die Schriftrollen vom Toten Meer, das Alte Testament und der geheime Bibelcode" zusammen.

Höhle 41947 entdeckte ein Beduine in einer Höhle nahe beim Toten Meer uralte Schriftrollen aus der Antike: die weltberühmten Qumranrollen. Dieser archäologische Jahrtausendfund ermöglichte es uns jetzt, den sogenannten Bibelcode zu widerlegen, da sich unter den Qumrantexten die ältesten Bibelhandschriften der Welt befinden. So wurde u.a. eine komplette Abschrift des Jesajabuches auf Hebräisch aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Dieser Text ist um über 1.000 Jahre älter als die bis dahin ältesten bekannten hebräischen Bibelhandschriften, die erst aus dem Mittelalter stammten. Ein Traum für die Bibelforschung ging in Erfüllung. Nun konnte man an einem der umfangreichsten Bücher des Alten Testaments den Text Buchstabe für Buchstabe genau untersuchen.

Da bis zu der Erfindung des Buchdrucks alle Texte mühsam mit der Hand abgeschrieben werden mußten, fragte man sich natürlich, ob in Jahrhunderten nicht nur Schreibfehler, sondern vielleicht auch bewußte Veränderungen in den Text geraten sind. Tief beeindruckt mußten die Bibelwissenschaftler feststellen, daß die Botschaft des Prophetenbuches über diese immense Zeitspanne unverfälscht überliefert worden war. Kleinere Textunterschiede sind überwiegend durch Abweichungen bei der Rechtschreibung bedingt.

Eine riesige antike Bibliothek

Schriftrollenforscher beim Sortieren der FragmenteBis 1956 wurden zehn weitere Höhlen mit den Überresten von nahezu 900 Schriftrollen entdeckt. Aber leider waren die Rollen, im Gegensatz zum ersten Fund, in zigtausende Bruchstücke zerfallen. Die Wissenschaftler eines eigens gebildeten internationalen Teams mußten über 80.000 Rollenschnipsel zusammenfügen und die Texte rekonstruieren. Sie konnten Abschriften fast aller alttestamentlichen Bücher nachweisen. Eine Handschrift stellte sich als sensationell heraus: Unter den Fragmenten entzifferte man die Reste einer Abschrift des Samuel-Buches aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Sie entpuppte sich als Vorlage der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der sog. Septuaginta. Als in der Antike, immer weniger Juden Hebräisch sprachen sondern nur noch Griechisch, wurde diese erste Bibelübersetzung der Welt nötig. Sie entstand seit der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. in Ägypten und wurde später auch die Bibel ersten Christenheit.

Nun wich aber der Samueltext der Septuaginta schon immer geringfügig vom Text der Hebräischen Bibel ab. Man meinte bisher, daß sich die Übersetzer um 200 v. Chr. einige Freiheiten herausgenommen hätten Aber das Gegenteil ist der Fall! Die Qumrantexte belegen, daß die Übersetzer sehr sorgfältig und gewissenhaft gearbeitet haben. Die Textschwankungen sind nicht auf die Übersetzer, sondern auf eine andere hebräische Textvorlage zurückzuführen. Dies konnte man ebenso beim Buch Jeremia nachweisen, das in der griechischen Bibel um ca. 2.700 Wörter kürzer (ungefähr sechs bis sieben Kapitel) ist als in der Hebräischen.

Mord an Rabin in der Bibel

Diese ältesten Bibelhandschriften der Welt haben wir nun benutzt, um die Echtheit der Codes zu überprüfen. Denn sollte es den Bibelcode wirklich geben, dann müßte er doch auch in diesen uralten Handschriften zu finden sein. Vor allem die Behauptung, daß die Ermordung Rabins als Code in den fünf Büchern Mose zu finden sei, erregte seinerzeit große Aufmerksamkeit. Bei Qumranvorträgen quer durch Deutschland und in Israel wurde uns immer wieder die Frage gestellt: "Was halten Sie vom Bibelcode?" Wir mußten feststellen, daß die öffentliche Diskussion zwar leidenschaftlich, aber ohne die wichtigsten Grundkenntnisse zur Geschichte der Bibelüberlieferung verlief, vor allem was den hebräischen Bibeltext angeht. Außerdem hatte sich bisher noch niemand die Mühe gemacht, die Codes in der Hebräischen Bibel wirklich zu überprüfen. Eine ganz entscheidende Frage bei unserer Untersuchung war daher die Frage, welchen hebräischen Bibeltext die Codesucher überhaupt in ihrem Computer verwenden. Von den Anhängern der Code-Theorie wird behauptet, es sei die "Originalversion" der Hebräischen Bibel.

Älteste Handschrift widerlegt "Code"

Doch in Wirklichkeit haben die "Bibelcode-Forscher" nur eine sehr junge Textfassung verwendet, die nicht die "Urbibel" darstellt. Bei der Überprüfung der ältesten kompletten Handschrift des Alten Testaments (Codex Leningradensis von 1008 n. Chr.) konnte nachgewiesen werden, daß z.B. der angebliche Buchstabencode für die Ermordung Rabins darin gar nicht zu finden ist. Denn der Text ist nicht buchstabengetreu mit dem jüngeren Bibeltext identisch, den die Codesucher auf ihren Rechnern benutzen. Anders ist vor allem der unterschiedliche Gebrauch von Hilfsvokalen. Er verändert zwar nicht den Sinn des Textes, aber er bringt alle Codetheorien zum Einsturz, da man für einen Bibelcode einen über Jahrhunderte unveränderlichen Textbestand bis in den einzelnen Buchstaben hinein (gleiche Buchstabenanzahl) bei allen Texten voraussetzen muß. Auch nur leichte Textveränderungen machen jeden Code fehlerhaft.

Lissaboner Bibel von 1482Aber nicht nur in der ältesten Handschrift, sondern auch in den noch älteren Qumranrollen lassen sich die Codes nicht nachweisen. Die ältesten Bibeltexte der Welt widerlegen also alle Codetheorien, da sie zeigen, daß die Textfassungen in der Antike zwar inhaltlich, aber nicht buchstaben-gleich sind. Aber auch im Mittelalter unterscheiden sich die Textfassungen durch den verschiedenen Gebrauch der Hilfsvokale. Auch hier brechen die Codes in sich zusammen - übrigens auch alle sog. Jeshua (Jesus)-Codes, also Codes, die die Messianität Jesu in verborgener Weise im Alten Testament angeblich beweisen. Leider sind viele Christen der Faszination der Bibelcode-Theorien erlegen, da sie der irrigen Auffassung sind, dadurch die Glaubwürdigkeit der Bibel untermauern zu können.

Einzigartige Sorgfalt

Dabei ist die Bibel mit einzigartiger Sorgfalt überliefert. Sie ist ein höchst verläßliches Dokument, wie die Qumranfunde bestätigen. Sie gilt zu Recht als das "Buch der Bücher". Für Spielereien im Sinne der Bibelcodes, bei denen jeder am heimischen Computer zum Endzeitpropheten werden kann, läßt sich die Bibel aber nicht mißbrauchen. Schon in Jesaja 45,18-19 spricht Gott: "Ich habe nicht im Verborgenen geredet, irgendwo in einem finsteren Land. Ich habe nicht zum Geschlecht Jakobs gesagt: Sucht mich im leeren Raum! Ich bin der Herr, der die Wahrheit spricht und der verkündet, was recht ist."

Die Qumrantexte sind eine enorme Bereicherung für die Bibelforschung. Obwohl sich die große Jesaja-Rolle in der Textgestalt vielfach von mittelalterlichen Text unterscheidet, ist der Textgehalt trotz unterschiedlicher Schreibweise - derselbe. Die prophetische Botschaft des Jesaja kommt in den jungen mittelalterlichen Bibelhandschriften ebenso gut zum Ausdruck, wie in der über 2.000 Jahre alten Jesaja-Rolle vom Toten Meer. Wir hoffen daß das Wort aus Jesaja 40,8 im Licht der Handschriftenfunde vom Toten Meer neue Bedeutung gewinnt: "Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibt ewig bestehen."
 
 
 

Wie funktioniert ein Buchcode?

Voraussetzung für eine erfolgreiche Ver- und Entschlüsselung einer Botschaft per Buchcode ist, daß Absender und Empfänger der Nachricht völlig identische Fassungen eines beliebigen Textes besitzen - z.B eines Romans oder Klassikers. Der Absender wählt im Buch eine beliebige Seite und Zeile aus. Seiten- und Zeilenzahl schreibt er an den Anfang seines verschlüsselten Textes. Lautet das erste Wort seiner Botschaft z.B. "Bibel", so zählt er jetzt bis zum ersten "b" im Text. Die gezählte Zahl ist die nächste Chiffre seiner Nachricht. Dann zählt er weiter bis zum ersten auftretenden "i'', schreibt ebenfalls die Ziffer auf u.s.w. Der Empfänger kann die nur aus Zahlen bestehende Botschaft wieder in Buchstaben übersetzen, wenn er an der richtigen Stelle beginnt und einen identischen Text besitzt. Eine solche Verschlüsselung ist gegen Entzifferungsversuche von Hand gut gesichert, da es Milliarden möglicher Kombinationen gibt. Erst in jüngster Zeit ist es mit Großrechenanlagen gelungen, Buchcodes schnell zu "knacken". Würde im Buchtext des Empfängers auch nur ein einziger Buchstabe fehlen, ergäbe das Auszählen der Zahlenkolonne nur sinnlosen "Buchstabensalat".
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Qumran- und Bibelausstellung
 
 

Besucher der Qumranausstellung
Besucher der Qumranausstellung

Eine Qumran- & Bibelausstellung mit Kopien der Schriftrollen, einem Modell von Qumran, sowie Originalbibeln ab dem Mittelalter können Gemeinden vereinbaren mit: Alexander Schick, Bibelausstellung, Sylt - Wandermuseum, Friedrichstr. 19, 25980 Westerland/Sylt Tel. 0172/214 68 35; e-mail: Schick.Bibelausstellung.Sylt@01019freenet.de Bisher sahen über 2 10.000 Besucher die Dokumentation.

Alle Fotos (c) Alexander Schick / Qumran- & Bibelausstellung Sylt & Estate of John Allegro


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