Der Shabbat-Tag

Auch wenn es viele Gebote gibt, die ein gesetzestreuer Jude zu erfüllen hat: seine besondere Liebe gilt dem Shabbat. Liebevoll nennt er ihn "Kalah", die (Shabbat-) "Braut" - die strahlende, schöne, anmutige, oder "Shabbat HaMalkah", die "Königin Shabbat" - die majestätische, graziöse. All diese guten Eigenschaften, die sich mit dem Gedanken an eine Braut oder an eine Königin ins Gedächtnis rufen, verbindet er mit dem Shabbat: er ist für ihn ein ganz besonderer Tag.

Für einen Außenstehenden mögen die speziellen Vorschriften, die mit dem Shabbat verbunden sind und auf diesen Seiten auch behandelt werden, als einengend erscheinen: ein trüber Tag voller Verbote, wo man unheimlich aufpassen muß, ja nichts verkehrt zu machen. Wer ihn jedoch kennt, den Shabbat-Tag, und ihn verinnerlicht hat, der erlebt das genaue Gegenteil: einen Tag, der uns befreit von wochentäglichen Angelegenheiten, der uns zur Ruhe kommen läßt, uns das Gleichgewicht zurück gibt, uns mit Gesang und Fröhlichkeit begleitet. Man kann es nicht beschreiben - das wäre, als würde man einem Blinden einen Sonnenuntergang beschreiben wollen -, man kann es nur selbst erleben. Nicht durch Beobachten von außen her - das wiederum ist, als würde ein Tauber beobachten, wie Menschen zu einer wunderschönen Musik tanzen -, sondern von innen heraus: man muß sich auf den Shabbat selbst einlassen.

Die Torah nennt uns zwei Gründe für den Shabbat:


Der Freitagabend

Der formelle Beginn des Shabbat ist das Entzünden der Shabbat-Lichter (für Details siehe Kabbalat Shabbat). Es sind dies mindestens zwei Lichter, die symbolisch die beiden Formen des vierten Gebotes darstellen: sachor - Gedenke des Shabbattages, daß du ihn heiligst (Ex 20:8), und shamor - Hüte den Shabbattag, daß du ihn heiligst (Dt 5:12). Auch soll uns der Shabbat ja an zwei Dinge erinnern: an die Schöpfung der Welt, und an den Auszug aus Ägypten. Es gibt allerdings verschiedene Orts- bzw. Familienbräuche bezüglich des Zündens zusätzlicher Lichter, etwa für jedes neugeborene Kind ein weiteres Licht zu entzünden - man darf mehr als das Minimum von zwei Lichtern zünden, wenn man es wünscht. Auf jeden Fall sollen die Shabbat-Kerzen lang genug sein, um während des gesamten Shabbat-Mahls (und bis in die Nacht hinein) zu brennen.

Der festlich gedeckte Shabbat-Tisch, auf dem auch die o.g. Shabbat-Kerzen vorzugsweise stehen sollten, ist desweiteren u.a. gedeckt mit zwei Laiben Challah (welche mit einem speziellen Deckchen oder, so man solches nicht hat, mit einer Serviette o.ä. abgedeckt sind), sowie einem Kiddush-Becher.

Vor dem reichhaltigen und festlichen Shabbat-Mahl findet in der Synagoge noch das Abendgebet statt - am Freitag Abend ein ganz spezielles, welches auch "Kabbalat Shabbat" (Empfangen des Shabbat) genannt wird. Die männlichen Familienmitglieder und auch die Kinder sollten sich bemühen, diesem Gottesdienst beizuwohnen (die Frauen sind dazu nicht verpflichtet - sie brauchen nach den anstrengenden Vorbereitungen eine Atempause -, dennoch aber herzlich willkommen). Er dauert etwa 40-50 Minuten, und wird in vielen Gemeinden mit besonders viel Gesang und Frohsinn begangen. Ist man krank oder aus anderen gewichtigen Gründen nicht in der Lage, die Synagoge zu besuchen, müssen diese Gebete zu Hause - nach dem Zünden der Lichter - gesagt werden.

Wie schon in der Synagoge, so wird auch Daheim am Shabbat traditionell viel gesungen - und damit beginnt man auch gleich nach der Rückkehr von der Synagoge (oder dem Beenden des Abendgebetes daheim): die ganze Familie sammelt sich um die festliche Shabbat-Tafel und singt "Shalom aleichem malachei ha-sharet..." (von diesem und vielen anderen am Shabbat gesungenen Liedern gibt es im Handel zahlreiche Aufnahmen - eine kleine Auswahl davon findet sich u.a. bei Doronia, wobei die Auswahl im Web hier eher gering ist; ich empfehle daher die Bestellung des Kataloges dort). Anschließend werden die Kinder gesegnet - eine Aufgabe, die gewöhnlich der Vater (als Haupt der Familie) übernimmt: "Gott lasse dich werden wie Ephraim und Menasheh" für die Jungen, und "...wie Sarah, Riwkah, Rachel und Leah" für die Mädchen - gefolgt vom priesterlichen Segen, dem "Birkat Kohanim". Nun folgt der Kiddush über einen bis zum Rand gefüllten Becher Wein, während die auf dem Tisch liegenden Challot noch bedeckt sind. Diejenigen, die ihn nicht selbst rezitiert (sondern "nur gehört") haben, sprechen "Amen" - und der Rezitierende gibt allen Anwesenden vom Kiddush-Wein und trinkt auch selbst davon. Nach dem man sich hiernach rituell die Hände gewaschen hat (jede Hand wird dreimal mit Wasser übergossen, und der Segensspruch darüber gesagt), kehrt man schweigend an die Tafel zurück, der Segensspruch über die Challot wird rezitiert (woraufhin wiederum mit "Amen" geantwortet wird) - und sobald jeder von der Challah ein Stück gegessen hat, ist das "Buffet" eröffnet.

Auch zwischen den einzelnen Gängen der Shabbat-Mahlzeit wird nun wieder viel gesungen: "Semirot", was soviel heißt wie "Lieder". Viele dieser Semirot finden sich in verschiedenen Siddurim, von denen einer auch hier vorgestellt ist (als Noten- und Musikvorlage empfiehlt sich hier das Werk "Smirot Michal"). Die meisten dieser Semirot sind im Mittelalter entstanden, und auch viele der schönsten Melodien dazu stammen aus dieser Zeit - es gibt aber ebensoviele moderne und auch chassidische Melodien zu diesen Liedern.

"Und wenn Du gegessen hast und sattgeworden bist, sollst Du den Ewigen, deinen Gott, segnen..." (Dt 8:10) - und so schließt sich an das ausgedehnte Mahl das "Birkat HaMason", das Tischgebet, an. Gerade am Shabbat - und wen wundert dies jetzt - soll dieses nicht "schnell herunter gesagt", sondern nach Möglichkeit gesungen werden und so einen Höhepunkt der Se'udah bilden. So lernen auch die Kinder schon früh diese Gebete, welche sie sich durch den Gesang viel schneller zu eigen machen können.

Nun ist es zumeist bereits recht spät (besonders im Sommer, da hier aufgrund der längeren Tage erst viel später mit dem Shabbat begonnen wurde), und man begibt sich zu Bett...


Der Tag des Shabbat

Der neue Tag beginnt mit dem Morgengebet in der Synagoge (oder, wenn man verhindert ist Daheim). Dieses ist am Shabbat länger als an den gewöhnlichen Werktagen. Nicht etwa, weil man langsamer ist als sonst: zur Ehre des Shabbat werden in vielen Gemeinden viele der Gebete gesungen, es gibt zusätzliche Gebete, auch eine Predigt des Rabbiners (ein "D'war Torah" [Wort zur Torah]) ist allgemein üblich. Einen weiteren zentralen Punkt bildet das Lesen des Wochenabschnittes (der Parshat HaShawu'ah) aus der Torah. Der Vortrag erfolgt aus der "Sefer Torah" - einer Torah-Rolle, die mit besonderer Mühe, Sorgfalt und Liebe von Hand in verzierter hebräischer Schrift geschrieben ist - zu einer traditionellen Melodie. Der zu lesende Wochenabschnitt ist wiederum in sieben Unterabschnitte aufgeteilt, zu jedem dieser Abschnitte wird ein anderes Gemeindemitglied aufgerufen und erhält somit die ehrenvolle Aufgabe, den Segen für diesen Abschnitt zu sprechen: "Gesegnet seist Du, Ewiger, Gott, König der Welt, der Du uns aus allen Völkern erwählt und uns die Torah gegeben hast."

Der Shabbat-Tag soll von mindestens drei guten Mahlzeiten begleitet werden. Die erste davon hat bereits am Freitagabend stattgefunden - nun, nach dem Morgengebet, folgt die zweite. Der Kiddush besteht hier aus einigen Versen der Torah gefolgt vom Segen über den Wein, und es folgt auch hier wieder eine ausgiebige und festliche Mahlzeit, ähnlich der am Freitagabend.


Aktivitäten am Shabbat

Welcher Beschäftigung geht man nun am Shabbat nach? Hier ergeben sich sehr viele Möglichkeiten. Die Kinder erfreuen sich besonders daran, daß ihre Eltern, die in der Woche nur wenig für sie verfügbar waren, ihnen am Shabbat endlich einmal besonders viel Zeit widmen: zusammen mit ihnen spielen sie, bei entsprechendem Wetter auch verbunden mit Spaziergängen im Park. Auch und gerade die Beschäftigung mit der Torah ist eine besonders ehrenvolle Beschäftigung am Shabbat; Dinge, die die Kinder im Laufe der Woche gelesen oder gelernt haben, werden gemeinsam diskutiert. Es wird gesungen und vielleicht auch getanzt (zum eigenen Gesang natürlich - das Spielen von Musikinstrumenten oder gar die Benutzung einer Musikanlage kommt am Shabbat nicht in Frage).

Mit Freunden, Nachbarn und/oder der Familie ist man am Shabbat gern gesellig zusammen. Gemeinsam diskutiert man z.B. nochmals den Wochenabschnitt aus der Torah (wobei durchaus gern die verschiedensten Kommentare zu Rate gezogen werden), über alle möglichen Fragen der jüdischen Religion oder auch Philosophie... Auf jeden Fall stehen der Shabbat und "Jüdischkeit" im Mittelpunkt des Interesses. Und die allgegenwärtige Ausrede "Ich habe keine Zeit" gilt am Shabbat nicht!

Und natürlich soll auch die Ruhe nicht zu kurz kommen: vielleicht macht man ein Mittagsschläfchen, oder geht (im Winter, wenn der Shabbat ja bereits früher beginnt) einmal früher zu Bett. Oder man macht es sich gemütlich und liest wieder einmal ein gutes Buch - heute hält einen ja keine "dringende Tätigkeit" davon ab...

Selbst wenn für manch einen all diese Dinge rund um den Shabbat etwas ungewohnt klingen mögen: hat man sich erst einmal an den Shabbat "gewöhnt", ihn sich "zu eigen gemacht", möchte man ihn um keinen Preis mehr missen!


Shabbat-Abschluß

Nach Minchah und Ma'ariw, wenn die Sonne bereits untergegangen ist und die ersten drei Sterne schon am Himmel zu sehen sind, endet diese Krone der Woche. Mit der Hawdalah verabschieden wir uns traurig von unserem teuren Gast mit all unseren Sinnen, die uns diesen Tag so besonders wertvoll haben erfahren lassen: einem Segen über den Wein, der uns auch an den Geschmack der guten Speisen erinnert; einem Segen über wohlriechende Gewürze - der Shabbat hat seinen besonderen Duft für die Seele; einem Segen über das Licht (welches der Shabbat für die Woche darstellt). Hawdalah bedeutet soviel wie Teilung, Trennung oder Unterscheidung - wir trennen uns vom Shabbat, wir unterscheiden sehr deutlich zwischen Shabbat und Werktag. Und so ist die erste Melachah, die wir tun, das Entzünden der Hawdalah-Kerze: die Woche der Schöpfung beginnt erneut, und als erstes erschuf der Ewige das Licht...


Wem das jetzt genug der Theorie war, und wer auch sonst noch ein wenig "handliches" aus der Praxis bevorzugt: der sei eingeladen, hier einen Shabbat mit mir zu verbringen. Keine Angst, ich beiße nicht...